"Ich will keine Anonymen Bewerber!"

Aufschrei eines Mittelständlers - FAZ am Sonntag, Protokoll von Melanie Amann


Gaetano Foti - mit dem Namen hält mich wohl niemand für einen Deutschen. Bin ich auch nicht, ich habe meinen italienischen Pass nie
abgegeben, obwohl ich mein ganzes Leben in Deutschland verbracht habe.
Meine deutsche Mutter hat meinen Vater im Italien-Urlaub kennengelernt; 1961 kamen sie nach Berlin und mein Vater eröffnete das Autohaus, das ich heute leite.

Anonyme Bewerbungen halte ich für eine irrsinnige Idee. Ich verstehe den guten Willen der Erfinder. Aber sie haben keine Ahnung, wie Auswahlverfahren funktionieren, vor allem nicht im Mittelstand. Hier läuft alles viel familiärer ab als in großen Betrieben. Wir haben keine Personalmanager, wir stellen selbst ein. Wenn ich Kandidaten für eine freie Stelle einlade, dann ist es, als würde ich sie nach Hause einladen. Deshalb will ich vorher wissen, ob ein Mann oder eine Frau kommt, gesund oder im Rollstuhl, ein Libanese oder eine Türkin, eine ältere Frau oder ein Jungspund. Anonymität ist mir nicht nur unheimlich, sie wäre einfach Zeitverschwendung.

Ein Sozialromantiker bin ich gewiss nicht. Ausländer werden in unserem Land noch immer anders behandelt als Deutsche - in guter wie in schlechter Hinsicht: Meine Schwester hatte es in den 8oer Jahren als Italienerin wohl leichter, einen Medizinstudienplatz in Ulm zu bekommen, als mancher deutsche Abiturient. Umgekehrt fiel es ihr sehr schwer, eine Wohnung zu finden. Viele Vermieter wollten partout keine ausländische Mieterin.

Auch meine Kinder könnten Nachteile wegen ihrer Namen haben, etwa mein Sohn Paolo Francesco. Aber wer sie nicht einstellen will, weil sie Ausländer sind, den würden Regeln über anonyme Bewerbungen doch nicht umstimmen. Dann käme die Absage eben nach dem Gespräch - und meine Kinder würden weitersuchen, bis sie klügere Arbeitgeber finden.

Gegen anonyme Bewerbungen gibt es aber noch einen stärkeren Grund: Mir ist als Arbeitgeber nicht nur wichtig, was eine Person kann. Ich will wissen, wer sie ist und wo sie herkommt. Das nötige Wissen kann ich jedem beibringen. Herkunft, Alter, sein Geschlecht bringt er unveränderlich mit. Deshalb will ich als Unternehmer die Freiheit haben, mir mein Team zusammenzustellen. Ich will Leute ablehnen dürfen, weil sie nicht in den Betrieb passen. Schließlich verbringen wir alle den ganzen Tag zusammen. Ich muss meinen Leuten blind vertrauen können. Aber sie dürfen mir schon im ersten Bewerbungsschreiben misstrauen? Die Erfinder anonymer Bewerbungen unterstellen mir, dass ich diskriminiere. Dabei machen sie selbst doch Alter, Herkunft und Geschlecht zu einem Makel, der versteckt werden muss.

Die Idee erinnert mich an das Märchen vom Rumpelstilzchen: „Ach wie gut, dass niemand weiß ..." Das Männlein hatte so viel Macht über die schöne Müllerstochter, weil sie seinen Namen nicht kannte. Ich will mit Rumpelstilzchen und Geheimniskrämern nichts zu tun haben.

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